H5P-Essay – Das Ende von Multiple Choice

Als H5P vor knapp anderthalb Jahren an der Ruhr-Universität eingeführt und implementiert wurde, hätte ich Luftsprünge machen können. Endlich ein Tool, das die interaktive Einbettung von Videos ermöglichte. Ich muss ehrlich sagen, dass mich zunächst die anderen Funktionen nur marginal interessierten. Interaktive Videos, das vor doch alleine schon super.  An der Begeisterung für die interaktiven Videos hat sich nur wenig geändert. Durch digiLL_NRW rückte aber auch die weiteren Funktionen von H5P mehr und mehr in den Vordergrund. Doch eines fehlte bisher: Ein Frageformat, dass endlich Multiple Choice-Fragen ersetzen kann. Mit H5P-Essay ist dies nun möglich. Ich weiß nicht, ob der Programmiere, Oliver Tacke, dies überhaupt vor hatte. Er hat es aber ermöglicht.

“A free HTML5-based content type that allows students to receive instant feedback to a text that they have composed. Authors can define a set of keywords that will trigger individual responses if they are found or missing in the text. ” (https://h5p.org/content-types/essay)

Im Standard-Beispiel zum Essay geht es darum, dass Buch “Der kleine Hobbit” in maximal 500 Zeichen zusammenzufassen. Für die Auswertung wird überprüft, ob bestimmte Schlüsselworte – die jeweils vom Lehrenden gewichtet werden – im Text vorkommen. Das Beispiel verlangt u.a. die Nennung der Namen Bilbo, Gandalf oder Smaug. Eigentlich ein ganz einfaches System. Dies bringt natürlich auch Nachteile mit sich. Gibt man als Lösung “Bilbo, Smaug, Gandalf” ein, erhält man bereits 50 von 80 Punkten. Zusätzlich ist es zwar erforderlich mindestens 100 Zeichen so verwenden, man kann die verbleibenden Zeichen aber durch Blindtext ergänzen. Es ist folglich ziemlich einfach das System zu überlisten. Wenn Lerner und Nutzer hinter dieses System kommen, verliert der H5P-Essay schnell seine Wirkung.

Wenn wir den Essay als reine Reproduktionsaufgabe zum Schreiben von Zusammenfassungen nutzen, funktioniert dies wohl nur wenige Male pro Klasse oder Kurs. Warum halte ich trotzdem so viel von diesem Tool? Ganz einfach: Es lässt sich für weit aus mehr nutzen, wenn man nur etwas Kreativität aufbringt. Und damit komme ich zu den Multiple Choice-Aufgaben. Ich mag MC-Aufgaben nicht. Sie sind für mich sogar eines der schwachsinnigsten Frageformate. MC hat sich durchgesetzt, weil es leicht automatisch ausgewertet werden kann – sogar schon von dem PC-Zeitalter, man erinnere sich nur an Fahrschulfragebögen. Für das Fernsehen mag das Frageformat passend und nett sein, aber für den Unterricht an Schulen und Hochschulen möchte ich den Lernern mehr zutrauen, als durch Ausschlussverfahren die richtige Antwort zu finden. Zudem nervt es mich, falsche Antwortmöglichkeiten zu ersinnen, die häufig bereits auf die richtige Antwort hinweisen. Mit dem H5P-Essay kann ich diesen Problemen entgehen. Ich will dies an einem einfachen Beispiel deutlich machen.

Eine typische MC-Frage: Nennen Sie die Hauptstädte der baltischen Staaten.
A Tallinn
B Vilnius
C Helsinki
D Riga
E Tiflis
F Jerewan

(Korrekte Antworten: Tallinn, Vilnius, Riga)

Durch die Vorgabe richtiger und falscher Antworten wird das Niveau der Frage automatisch gesenkt. Die gleiche Frage könnte jedoch mit dem H5P-Essay gestaltet werden. Dafür müsste meine Beispielfrage nicht einmal umformuliert werden. Es gäbe keine Antwortmöglichkeiten und die richtigen Hauptstädte könnten nicht durchs Ausschlussverfahren gefunden werden. Im Gegensatz: Die Nutzer müssten die Antworten kennen (Wir ignorieren hier einmal den Fakt, dass man die Antworten sehr leicht nachschlagen könnte). Der Schwierigkeitsgrad wäre dementsprechend deutlich höher. Fragen dieser Art konnten in gängigen Systemen bisher nicht gestellt bzw. nicht automatisch ausgewertet werden (vgl. Moodle-Kurzantwort).

Mein Fazit ist daher: Der H5P-Essay ist an sich ein einfaches Tool, entwickelt für einfache Reproduktionsfragen. Kreativ angewendet lässt sich mit ihm aber eine neue, bessere Formen von automatisch aufgewerteten Fragen und Aufgaben entwickeln; in meinen Augen: Ein großer und wichtiger Schritt.

Natürlich steht abschließend noch eine wichtige Frage im Raum: Wie sieht der H5P-Essay im Backend für den Ersteller aus und worauf sollte man achten? Oliver Tacke hat dazu ein Video erstellt: https://www.youtube.com/watch?v=q5H61oB3j-0

2 Kommentare

  1. Ersetzen wollte ich Multiple-Choice-Fragen nicht. Ich fand es bloß interessant, mal ein Werkzeug zu haben, das über reine “Reproduktion” von fertigen Antworten wenigstens etwas hinaus geht. Dass auch diese Lösung immer noch ziemlich stupide ist, weiß ich aber auch. Es ist ein Experimentierfeld und (m)ein Spielplatz 🙂 Umso schöner, dass offenbar mehrere Leute dem etwas abgewinnen können. Vielleicht wird mal mehr draus, mal schauen.

    Was ich immer am spannendsten finde, sind aber die Lösungen, die jemand findet, an die man als Entwickler selbst nie gedacht hat. Also immer her damit!

    • Und dies ist nicht nur bei Entwicklern so, sondern auch in den meisten Bildungsfeldern profitieren wir vom unheimlich vom Austausch und der gemeinsamen Weiterentwicklung von Ideen. Leider ist dies noch nicht selbst verständlich im Bildungssektor.

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